Welt der Unschuld: Japans faszinierendes Pop-Paralleluniversum
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Gerade mal 20 Jahre nach dem Angriff auf Pearl Harbour, und nur zehn Jahre nachdem die Siegermacht USA ihre Besatzungstruppen aus Japan abgezogen hatten, gelang einem jungen Japaner eine höchst unwahrscheinliche Invasion auf stolzes amerikanisches Territorium. Kyū Sakamoto, damals gerade 21 Jahre, landete 1963 mit „Ue o muite arukō“ auf dem ersten Platz der US-Charts – die erste US-Nummer-1 in einer nichteuropäischen Sprache überhaupt. Weil das traurige, vollständig auf Japanisch gesungene Liebeslied zwischen „Surfin’ USA“ und „Puff The Magic Dragon“ wie ein Fremdkörper wirkte, taufte ein britischer Plattenboss den Titel (zu Deutsch etwa „Beim Laufen blicke ich gen Himmel“) den Radio-DJs zuliebe kurzerhand in „Sukiyaki“ um – dabei wird das gleichnamige japanische Tischfondue im Song mit keinem Wort erwähnt. Das war in etwa so, als hätte man „Moon River“ mit „Big Mac“ übersetzt. Oder „99 Luftballons“ mit „Toast Hawaii“. Sakamotos Welthit, der auch in Deutschland bis auf Platz 2 kletterte, blieb eine seltsame Fußnote der Musikgeschichte. 1985, gerade als er sein Comeback vorbereite, verstarb der „japanische Elvis“ wie Buddy Holly bei einem Flugzeugabsturz. Und Japan blieb ein Paralleluniversum des Pop, in das nur wenige aus dem Westen Zugang fanden.
Sentimentale Kraft der Algorithmen
Erst durch das Internet, genauer gesagt über einen luftgekühlten Server in der Nähe von San Francisco, hat die japanische Popmusik ein neues Einfallstor gefunden. Bis heute ist nicht klar, warum die Algorithmen von YouTube innerhalb der letzten vier Jahre mehr und mehr Musikhörern auf der ganzen Welt japanische Vintage- Popmusik in die Playlisten blätterten – die Videoplattform hält die Logik ihrer künstlichen Intelligenz im Detail geheim. Besonders ein Song wurde dort zum Phänomen: „Plastic Love“ von Mariya Takeuchi, aufgenommen im Jahr 1984, erreichte auf YouTube innerhalb von zwei Jahren 24 Millionen Views. In ihrer Heimat ist die 64-jährige Sängerin noch immer ein Star. „Plastic Love“ war dort jedoch nie ein Hit, sondern landete bei Erscheinen gerade mal auf Platz 86. Dass das Synth-Pop-Stück über eine junge Frau, die sich den Herzschmerz unter der Diskokugel wegtanzt, eine Welle von Memen, Mash-ups und Coverversionen auslösen würde, war in keiner Weise abzusehen.
Und doch ist die Faszination, die der fünf Minuten lange Song vor allem auf westliche Hörer ausübt, nicht überraschend: „Plastic Love“ ist keine Kopie von Michael Jackson und dessen Produzenten Quincy Jones, klingt aber wie ein perfektes Outtake der „Off The Wall“-Sessions. Vertraut und fremd zugleich löst er eine seltsame Nostalgie aus, eine Art Heimweh nach einem Ort, an dem man nie gelebt, den man nie gesehen hat. Hat man sich einmal auf die fremde Sprache eingelassen, öffnen sich Welten, auch weil YouTube Hunderte ähnlicher Empfehlungen bereits in der „Up Next“-Schleife hat. Zusammen mit „Plastic Love“ erlebte so ein ganzes Genre eine Wiederauferstehung: japanischer City-Pop, eine nach den höchsten Qualitätsstandards der 80er-Jahre produzierte Mischung aus Pop, Disco, Funk und Jazz, voller überlebensgroßer Melodien, komplexer Arrangements und Live Shows, deren Bühnenaufbauten im besten Sinne größenwahnsinnig sind. Es ist, als bekäme man plötzlich die Chance, die größten Popsongs des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal zu hören, nur heißen ihre Urheber hier nicht Prince oder Kate Bush, sondern Tatsuro Yamashita oder Yumi Arai.
Soundtrack zur Bubble-Economy
Obwohl Songtitel und Hooklines im City-Pop oft englisch sind – „Oh No, Oh Yes!, „Mm, honey, it’s you, lover“ oder „Windy Lady“ –, ist die Musik tief geprägt von der Zeit und dem Ort ihrer Entstehung. Seine Hochphase erlebte City-Pop während Japans Wirtschaftswunder-Jahren zwischen 1980 und 1989. Die überhitzte Bubble-Economy, die Anfang der Neunziger schließlich platzte, flutete den Weltmarkt mit Elektronik und Autos; japanische Game-Arkaden, Walkmen und Nintendo-Konsolen wurden auch bei uns Teil der Popkultur. Nirgends war der Lebensstandard höher. Das Land, das nicht einmal 40 Jahre zuvor nach zwei Atombombenabwürfen zerstört und demoralisiert am Boden gelegen hatte, war plötzlich eine selbstbewusste Weltmacht und so reich, dass sich japanische Investoren am Ende des Jahrzehnts das Rockefeller Center im Herzen Manhattans kaufen konnten. In amerikanischen Science-Fiction-Filmen wie „Blade Runner“ wird die Angst vor dem Anbruch eines japanischen Jahrhunderts spürbar: Die Zukunft ist fremd und beklemmend. An endlosen Hochhausreihen, die in ein smogverseuchtes Weltall zu wachsen scheinen, prangen japanische Schriftzeichen. Man zahlt seine Nudelsuppe mit Yen. Die Weißen sind nur noch eine machtlose Minderheit, auf die unablässig toxischer Regen tropft. Heute können in den USA Bücher wie „Tod durch China“ von Trumps Handelsberater Peter Navarro erscheinen. Äquivalente der Achtziger hießen „Der kommende Krieg mit Japan“, „Japanophobia“ oder „Zaibatsu America – Wie japanische Firmen die vitale US-Industrie kolonisieren“. Das nach außen getragene Selbstbild Japans hingegen war das einer heilen Konsumwelt. Die Werbeclips von Sony & Co. luden in ein bonbonbuntes Land des Lächelns ein, fortschrittsgläubig, optimistisch, geradezu naiv. Jeder Wunsch, selbst die Liebe und das Glück schienen nur eine gezückte Kreditkarte weit entfernt.
„Das Selbstbild Japans war das einer heilen Konsumwelt“
City-Pop klinge wie „Christmas on a summer’s day“, schreibt ein Nutzer unter einen YouTube-Upload von Tatsuro Yamashitas „For You“, einem der prägendsten Alben der City-Pop-Ära. Der Satz bringt den Zeitgeist ebenso auf den Punkt wie die von Eizin Suzuki und Hiroshi Nagai designten Plattencover, auf denen der erste Sommerferientag nie zu Ende zu gehen scheint. Tatsächlich entstanden nicht wenige Songs und sogar ganze Alben als Auftragsarbeiten für Galerien und Kaufhäuser, Klimaanlagen- und Parfümhersteller. Für die Marketing-Abteilungen von Firmen wie Seiko und Shiseido war ein hippes Images alles. Dafür erlaubten sie kunsttheoretisch versierten Musikern wie Yasuaki Shimizu oder Hiroshi Yoshimura viel künstlerische Freiheit, die diese prompt nutzten, um eigene kreative Visionen zu verwirklichen. Ihre „Kankyō ongaku“ („Environmental Music“) ist die Kehrseite des überschwänglichen City-Pop: an John Cage, Erik Satie und Brian Eno geschulte Ambient-Musik, die helfen sollte, dem Lärm und Stress einer 60-Stunden-Woche zumindest beim Einkaufen zu entkommen.
Tatsächlich ist „Kankyō ongaku“ eher Musik für Zen-Gärtlein als „Music For Airports“: glasklar, feinstofflich, oftmals allem Irdischen entrückt. Dank YouTube erleben die unaufdringlichen Klang-Meditationen ebenfalls einen zweiten Frühling. Das von Naturgeräuschen durchwirkte und selbst in Japan kaum bekannte Ambient-Album „Green“ des 2003 verstorbenen Hiroshi Yoshimura hat auf YouTube mittlerweile 1,6 Millionen Views. Die Kommentare darunter sind ausschließlich auf Englisch: „More green than Eno’s ‚Another Green World‘“, „Is it just me or is this therapeutic?“ oder auch „This album makes me feel like an insect living inside some sort of greenhouse on another planet“. Wenn ganze Alben auf YouTube hochgeladen würden, schreibt ein weiterer User, fühle er sich normalerweise „conflicted“. Wenn diese Alben aber auf diese Weise vor dem Vergessen bewahrt würden, sei er froh, dass es illegales Filesharing gibt. Sein Kommentar hat unter dem ganz offenbar nicht autorisierten Upload die höchste Zahl an Likes.
„Musiker wie Haruomi Hosono haben ihr eigenes musikalisches Universum erschaffen“
Mittlerweile findet das Phänomen nicht mehr nur im Internet statt. Labels wie Light In The Attic aus Seattle, Wewantsounds aus Paris, Palto Flats aus New York oder WRWTFWW aus Genf veröffentlichen für den westlichen Markt Reissues und Compilations japanischer Künstler, von denen manche selbst in ihrer Heimat fast vergessen sind. Midori Takadas polrhythmisches Minimal-Music-Meisterwerk „Through The Looking Glass“ von 1983 war 2017 die zweitbeliebteste Wiederveröffentlichung auf dem Online-Vinyl-Marktplatz Discogs, nur geschlagen von Radioheads „OK Computer OKNOTOK“. Heute wird die 66-jährige Perkussionistin wieder weltweit zu Festivals eingeladen. Und sie hat zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder neue Musik aufgenommen: zusammen mit der hippen Londoner Produzentin Lafawndah. Andere Reissues gelten in Japan längst als Klassiker, etwa die von Haruomi Hosono, der seit 50 Jahren als Songwriter, Produzent und Labelbetreiber die Grenzen der japanischen Popmusik immer wieder neu absteckt. Mit Happy End und Yellow Magic Orchestra hat er zwei der einflussreichsten Bands des Landes gegründet. Fünf seiner 25 Soloalben, die von Folk bis Trance reichen, sind seit vergangenem Herbst erstmals außerhalb Japans via Light In the Attic erhältlich.
„Vor zwei, drei Jahren bemerkte ich, dass meine Musik in verschiedenen Ecken der Welt plötzlich wiederauflebt. Mich verblüfft dieses Interesse. Ich dachte, ich werde veräppelt“, erklärt Hosono in einem Interview. Mit 71 Jahren gibt er nun erstmals Solokonzerte in Europa und Amerika. Nötig hätte er es nicht. „Musiker wie Haruomi Hosono und Tatsuro Yamashita haben ihr eigenes musikalisches Universum erschaffen. In Japan sind sie noch immer riesig. Auch finanziell“, sagt die 64-jährige Avantgarde-Pop-Sängerin Akiko Yano, deren erste drei Soloalben dieses Jahr ebenfalls erstmals bei uns erschienen sind. „Ich finde es wunderbar, dass besonders junge Leute bei euch all diese historischen Sachen ausgraben. Ich habe das Gefühl, dass die Musik etwas transportiert, das ihnen im Leben gefehlt hat.“ Da könnte etwas dran sein. Vor allem im City-Pop schwingt eine unverstellte, unironische und unschuldige Sicht auf die Welt mit, die einer in postmodernen Remixen verhedderten Jugend wie aus einem Land vor unserer Zeit vorkommen muss (was auch erklärt, warum Totos „Africa“ in jüngster Zeit im Internet ebenfalls zu neuem Leben erwachte). Aus irgendeinem Grund – ganz umreißen können den wohl nur die künstlich intelligenten YouTube Autoplay-Algorithmen – hat die historische Musik aus dem längst nicht mehr boomenden Japan einen Nerv getroffen. In Städten wie New York, Chicago und Berlin werden mittlerweile City-Pop-Parties gefeiert. Plattformen wie „Pitchfork“ rezensieren regelmäßig obskure japanische Platten. Der hippe Vice-Musikkanal „Noisey“ nannte Mariya Takeuchis „Plastic Love“ euphorisch den „besten Pop-Song aller Zeiten“. Und das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ titelte im April auf seiner Website: „Machen Sie den Brexit erträglich … mit japanischer Ambient-Musik.“
Endlich im Westen angekommen
Junge Musiker aus dem Westen zollen Japans Legenden ebenfalls Anerkennung. Auf ihrem neuen Album sampeln Vampire Weekend in „2021“ ein Ambient-Stück, das Haruomi Hosono, 1984 als Auftragsarbeit für die Modekette Muji komponiert hatte. US-Rapper Tyler, The Creator verwendet auf seinem neuen Album „Igor“ sonnige Song-Fragemente von City-Pop-Großmeister Tatsuro Yamashita. Indie-Songwriter Mac DeMarco zählt Hosono zu seinen Haupteinflüssen und veröffentlichte Anfang des Jahres eine 7inch mit einem Cover von dessen bekifft karibischem „Honey Moon“ aus dem Jahr 1975. Der aus Portland stammende Produzent Spencer Doran, der den japanischen Vintage-Sound noch früher als YouTube in Blogs und DJ-Sets feierte, übersetzt mit seinem Elektroprojekt Visible Cloaks die digitalen Klänge der „Kankyō ongaku“ in zeitgenössische Clubmusik. So gesehen schließt sich mit der japanischen Vintage-Welle auch ein Kreis. Denn westliche Popmusik, allen voran aus den USA, war für die japanischen Musiker von Anfang an eine große Inspiration. „Als Jugendliche blieben wir oft bis spätnachts wach, um die Radiosender der amerikanischen Streitkräfte zu hören. So lernte ich auch die Beatles kennen“, erinnert sich Sachiko Kanenobu, die 1972 mit „Misora“ eines der frühesten japanischen Hippie-Folk-Alben aufnahm, bevor sie mit ihrem Ehemann, dem ROLLING STONE-Autor Paul Williams, nach Kalifornien übersiedelte. Haruomi Hosono, der „Misora“ produzierte, hatte sein zu einer Studiokommune umfunktioniertes Haus auf einer ehemaligen Militärbasis.
„Er war totaler Experte, was Boogie-Woogie und 50er-Jahre-Rock’n’Roll angeht“, erinnert sich Kanenobu. Ähnlich wie in Deutschland erwachte in vielen japanischen Künstlern jedoch bald der Wunsch, sich von der Schutzmacht zu emanzipieren. Auf seinen ersten drei Soloalben, der „Tropical Trilogy“, spielt Hosono mit den exotisierenden Inselparadies-Fantasien, die die Amerikaner aus dem mit Japan ausgefochtenen Pazifikkrieg mit nach Hause brachten. Auf „Japanese Rumba“, einem Cover eines Nipponkitsch- Stücks aus dem Hawaii der späten 40er-Jahre, lässt Hosono eine Neuinterpretation eines alten Volkslieds von den Okinawa-Inseln folgen. Aus dem von Earl Burrows geschriebenen und von Wanda Jackson gesungenen „Fujiyama Mama“, das 14 Jahre nach dem Krieg sexistische Ausbeutung und Atombombenabwürfe in einem Schlager verharmloste, macht er zerschossen humpelnden Rock’n’Roll: „I’ve been to Nagasaki/Hiroshima, too/ The things I did to them, baby/I can do to you.“
„Es war Teil des Konzepts sich über Stereotypen lustig zu machen, die der Westen von Asiaten hatte“
Die Aneignung und ironische Brechung verschiedener Genres bezeichnete Hosono einmal als „Sightseeing Music“: Der Musiker spiegelt sich wie ein Reisender in dem, was er entdeckt, er verzerrt und überhöht, je nach Blickwinkel und Erwartungshaltung. Mit intuitiver Abenteuerlust und humorvollem Blick für Details war Hosono dabei selbst eher Backpacker als Forschungsreisender. „Cochin Moon“, sein erstes rein elektronisches Soloalbum aus dem Jahr 1978, entstand nach einer Indienreise, die er zusammen mit dem japanischen Künstler Tadanori Yokoo unternahm. Auf dem von Yokoo designten Cover liegt sich ein glamouröses Bollywood-Paar unter dem Vollmond in den Armen, eingerahmt von Lotosblüten, Palmen und Elefanten. Er habe während der Reise so viel Durchfall gehabt, dass er irgendwann Ufos am Himmel gesehen habe, erzählt Hosono in den Reissue-Linernotes. Ein besonders fiebriges Stück der Platte heißt „Hepatitis“.
Das Image seines mit Ryuichi Sakamoto und Yukihiro Takahashi gegründeten Yellow Magic Orchestra, kurz YMO, speiste sich schließlich aus dem Bild das die Welt vom bunten Plastikplaneten Japan hatte, ähnlich wie Kraftwerk das mit dem Klischee des kalten, aber technologisch effizienten Deutschen taten. YMOs Maschinenmusik schien schon Ende der Siebziger eher dem Heimcomputer als der Fabrik zu entstammen. Sie war bunter und verspielter als die der Europäer, obwohl die Instrumente, nicht selten von japanischen Firmen wie Roland und Yamaha, im Prinzip die gleichen waren. YMOs erster Hit, „Firecracker“ von 1978, verwandelte das gleichnamige, orientalisch angehauchte Exotica-Stück des US-Komponisten Martin Denny in futuristischen Techno-Pop, der noch dazu so funky war, dass die Band während ihrer ersten US-Tour 1980 eingeladen wurde, ihn bei „Soul Train“ aufzuführen. Bis heute sind YMO die einzige japanische Band, die in der vorwiegend schwarzen Tanz-Show auftreten durfte.
„Unser Manager stand im Publikum und war als typischer japanischer Tourist verkleidet: mit dicker Brille und Kamera um den Hals“, erinnert sich Akiko Yano, die damals als Tour-Keyboarderin dabei war. „Es war Teil des Konzepts von YMO, sich über Stereotype lustig zu machen, die der Westen von Asiaten hatte, zum Beispiel indem sie Uniformen der Roten Garden anzogen. Man kann das als Kommentar gegen Rassendiskriminierung lesen – für uns damals war es vor allem ein großer Spaß. Allein die Tatsache, dass wir mit diesen riesigen Moog-Modular-Synthesizern auf die Bühne gingen, sie gut spielen konnten und noch dazu Popmusik damit machten, hat dem Publikum ein ganz neues Bild von Japan vermittelt – Überraschung!“
Weltmusik für die Digital-Ära
Vielleicht ist das der schönste Ausblick, den die Japan-Welle uns gibt: dass „Weltmusik“ nicht mehr bedeutet, nach dem Fremden, Exotischen zu suchen, sondern nach den Gemeinsamkeiten. Dass das Mantra, Musik sei eine „universelle Sprache“, sich endlich erfüllt, wenn im Pop kein Kultur-Imperium mehr die anderen dominiert, sondern sich viele gegenseitig den Wortschatz erweitern. City-Pop erlebt eine Weiterentwicklung in den Genres Vaporwave und Future Funk, die keine geografische Heimat haben, sondern im Überall und Nirgendwo des Internets entstanden. Dass dort Geschmacks- und Kulturgrenzen mehr denn je verschwimmen, könnte man als Ausbreitung eines internationalen Hipstertums oder Globalisierungs-Gleichmacherei empfinden. Man könnte aber auch sagen, dass es noch nie so einfach war, über Zeit und Raum hinweg Zugang zu anderen kulturellen Sphären zu bekommen. Und darüber kann man sich als Musikhörer freuen. Es ist ja alles irgendwo da draußen. Man muss sich nur davon finden lassen.